Alok Vaid-Menon im COSMO-Talk: Über gute Eltern, Disney-Bösewichte und Lektionen aus Texas | COSMOPOLITAN

2022-10-26 11:05:15 By : Mr. Spring Shao

Alok Vaid-Menon [they/them] ist Performance-Künstler:in, Autor:in und eine Ikone der Non-Binary-Bewegung. Im Gespräch über Identitätsfindung, Diskriminierung und Empowerment erfahren wir, was es wirklich heißt, sich anders zu fühlen.

Die genannten Produkte wurden von unserer Redaktion persönlich und unabhängig ausgewählt. Beim Kauf in einem der verlinkten Shops (Affiliate Link) erhalten wir eine geringfügige Provision, die redaktionelle Selektion und Beschreibung der Produkte wird dadurch nicht beeinflusst.

Allen gewidmet, denen jemals das Gefühl gegeben wurde, zu viel oder nie genug zu sein. So heißt es am Anfang von Alok Vaid-Menons Bestseller "Beyond the gender binary", der nun unter dem Titel "Mehr als binär" (Katalyst Verlag, 19 Euro) auch auf Deutsch zu lesen ist. Ein Buch, das zeigt, wie wichtig es ist, über Geschlechter-Vorstellungen hinauszudenken. Doch Alok schreibt nicht nur, er steht auch auf der Bühne. Will sich nicht verstecken.

Live in einigen europäischen Städten zu sehen ist Ende Oktober ihr eigenes Queer-Comedy-Programm. So auch in Hamburg. Genau an dem Tag, an dem wir in einem durch und durch rosa Raum auf einen COSMO-Talk zum Lunch verabredet sind. Alok trägt heute kurze Haare, die in bunten Regenbogenfarben gefärbt sind, Chunky-Crocs mit Plateau-Sohle, ein schwarz-weißes T-Shirt mit Psychadelic-Print und XL-Herz-Ohrringe, in denen man fett die Buchstaben "ALOK" lesen kann. Mein Gegenüber ist aufmerksam, obwohl am Abend der Bühnenauftritt ansteht, beantwortet alle Fragen ohne Eile – manchmal lachend, manchmal mit ernster Mine. Kein Wunder, denn Witz und Schmerz stehen viel näher zusammen als gedacht, wie ich im Laufe des Interviews erfahren werde …

Und nun, viel Spaß beim Lesen!

Man sagt ja, New York ist die Stadt, die niemals schläft. Aber um ehrlich zu sein, ist es die einzige Stadt, in der ich jemals schlafe. Es gibt dort viele spannende Personen auf den Straßen zu beobachten, von denen ich mich auch häufig inspirieren lasse. Und eine große queere Community. Es bedeutet so viel, Menschen um sich zu haben, die so aussehen wie du oder so denken wie du.

Texas ist wie Bayern, nur schlimmer (lacht). Ich komme aus einer Kleinstadt, wo die Leute Cowboystiefel tragen. Besonders in der Schule war alles sehr klischeemäßig – die Gruppen waren klar getrennt. Hier sind die coolen Kids, da sind die Streber. Und hier ist der Freak, der die Klamotten seiner Mutter und Schwester trägt. Hinzu kam, dass Texas sehr christlich geprägt ist. Jeder tat so, als hätte er keinen Sex vor der Ehe, würde sich nicht am Wochenende betrinken. Als herauskam, dass ich schwul bin, sagte mein bester Kindheitsfreund damals, dass das nicht okay sei, weil Jesus Christus das nicht okay finden würde. Aber weil wir uns schon so lange kannten und so zusammengeschweißt waren, akzeptierte er es trotzdem. Was ich also von meiner kleinen Heimatstadt gelernt habe, ist es nett und höflich zu anderen Leuten zu sein, obwohl sie anders sind als man selbst. In New York tun die Menschen oft so, als würden sie einander nicht brauchen, weil es einfach so viele Möglichkeiten gibt.

Sie sagte: 'Ich kenne mich nicht gut aus und habe nicht genug Recherche betrieben, um dich genug zu unterstützen. Nur damit du es weißt, ich werde in ein paar Wochen auf dich zurückkommen.' Und dann hat sie sich wirklich alle Bücher zu dem Thema geholt, hat mit anderen Eltern gesprochen. Und kam zurück, so als wüsste sie jetzt ganz genau, was zu tun ist. Klingt vielleicht merkwürdig, aber war doch eigentlich toll. Denn hätte sie mir ihre Ängste widergespiegelt, die sie definitiv hatte, hätte mich das auch ängstlich oder vielleicht sogar wütend gemacht. Stattdessen wusste sie, dass sie stark für mich sein wollte. Der Job der Eltern ist es schließlich Kindern Liebe und Support zu geben.

Es ist immer wichtig, gute Wege der Kommunikation zu finden. Frage als Elternteil nicht einfach, wie dein Kind in der Schule behandelt wird, ob es Freunde hat. Versuche offener über alles zu reden. Denn als junge Person möchtest du deinen Eltern oft nicht immer erzählen, was du gerade durchmachst, um sie nicht traurig zu machen. Zeig deinem Kind stattdessen, dass es geliebt werden kann, auch wenn es nicht glücklich ist. Und checke unbedingt auch die Informationen, die dein Kind konsumiert. Denn zumindest in den USA stimmen 80 Prozent der Informationen, die im Internet über Trans-Personen verbreitet werden, einfach nicht. Es gibt viele unterschiedliche Arten, queer zu sein. Manche Kinder wollen einfach nur ihren Namen ändern oder ihre Pronomen oder ihre Kleidung und das ist genug. Also frag dein Kind: 'Was möchtest du? Wie kann ich dir dabei helfen?'

Geschlechterbinarität ist wie ein Partygast, der erscheint, bevor du überhaupt den Tisch decken konntest. Meine Schwester wird gerade genau damit konfrontiert. Sie ist schwanger und wollte mit Absicht keine "Gender Reveal Party" schmeißen, wie sie heute in den USA im Trend ist. Und manche Leute hat das ernsthaft wütend gemacht. Aber ist es nicht eigentlich viel mehr Grund zum wütend werden, wenn Eltern sich in einer Blau/Rosa Welt freuen, dass das Baby ein Junge oder ein Mädchen wird?

Leider viel zu oft. Ich werde immer noch angestarrt und beleidigt, wenn ich in einem Kleid über die Straße gehe.

Als queere Person musst du in einer Fantasiewelt leben. Wenn mich zum Beispiel in Deutschland Leute auf der Straße blöd anmachen, tue ich so, als wären es ein Kompliment. Ich verstehe ja nichts und denke dann: 'Oh, wie schön, dass Ihnen mein Outfit gefällt. Vielen Dank. Danke! Haben Sie einen fantastischen Tag!'.

Es gibt einen Unterschied zwischen Mode und Stil. Mode ist, was uns verkauft wird. Stil ist das, was wir fühlen. Wenn du deinen eigenen Stil finden möchtest, musst du zuerst wissen, wer du bist. Also gehört eigentlich sehr viel emotionale Arbeit dazu. Es ist ein Prozess. Ich habe zum Beispiel früher unglaublich viele Klamotten aus Secondhand-Shops gekauft, bis ich dann mal vor dem Spiegel in einem hässlichen Pulli stand und dachte: 'Hmm, du musst aus deiner Komfortzone raus.' Ich glaube, dass Leute, die nur auf Fashion-Ratschläge hören, niemals die eigene Komfortzone verlassen können, um ihren eigenen Style zu finden. Ich trage Röcke und Kleider, Oversize-Pants und Lidschatten – es gibt einfach keine Regeln. Und außerdem sollte man immer wissen: Menschen, die dich für deinen eigenen Stil haten, sind meistens bloß neidisch. Wenn mir jemand sagt: 'Mein Gott, du hast wirklich nicht den richtigen Body für dieses Kleid', denke ich mir nur 'Mein Gott, wer hat dir so wehgetan?' Ich glaube, dass die Menschen, die den meisten Hass verbreiten, in Wirklichkeit am meisten Schmerz erleiden.

Ja, hatte ich! Ursula von Arielle war meine erste Stilikone. Sie ist so schön dramatisch und wird oft so falsch verstanden. H.I.M. von den Powerpuff Girls liebe ich auch. Niemand hat ihn je nach seinen Pronomen gefragt. Und Cruella De Vil von 101 Dalmatiner. Im Allgemeinen kam es mir immer so vor, als hätten die Power-Frauen aus den Cartoons und Zeichentrick-Filmen den coolsten Style. Aber gleichzeitig wurden diese feministischen Frauen mit ihren 'männlichen' Attributen auch immer als die Bösen dargestellt.

Genderbinarität betrifft nicht nur Männer, sondern auch Frauen. Wie lange hat es gedauert, dass Frauen in Hosen als normal angesehen wurden. Und wie kann es sein, dass heute alle damit konform sind, dass Frauen Hosen tragen, aber Männer in Kleidern 'komisch' aussehen?

Die Wahrheit ist: Man kann nicht immer alles geben. In einer guten Community sollte man nicht nur geben, sondern auch nehmen. Das habe auch ich erst spät erkannt. Ich war immer so höflich zu anderen, aber gleichzeitig zu cool zu mir selbst. Wie kann ich 'Trans People matters' verkünden, aber dann mich selbst nicht mit genügend Liebe behandeln? Besonders während Corona wurde mir bewusst, dass ich mehr Zeit für mich alleine brauche. Ich traf die Entscheidung, mich selbst auszuwählen. Und wenn du das tust, dann hast du auch mehr Energie, um für andere da zu sein. Trotzdem funktioniert das nicht immer. Nach der Show kommen oft Menschen zu mir, die ihre traumatischen Erlebnisse bei mir abladen. Und dann spiele ich drei Stunden nach der Show Therapeut:in. Aber das ist unfair mir und den anderen gegenüber. Schließlich bin ich darin nicht ausgebildet und es ist nicht mein Job. Nicht falsch verstehen: Ich bin dankbar, dass Menschen ihre Probleme mit mir teilen. Aber man sollte sich manchmal selbst dazu zwingen, auch mal zu sagen: 'Ich kann das nicht und ich werde das nicht tun!'.

Ganz einfach: It's not about gender, it's about love.

Liebe:r Alok, vielen Dank für deine Offenheit und das absolut spannende und inspirierende Gespräch.

Von wegen Hokuspokus: Palina Rojinski beweist mit ihrer Capsule Collection von Calzedonia wie cool Horoskope sind. Im Cosmo-Interview verrät sie alles über ihre Leidenschaft zur Astrologie und der neuen Kollektion mit dem Strumpfhosen-Hersteller.

Über Geld redet man nicht? Wir schon! Und zwar mit Unternehmerin, Investorin und Influencerin Diana zur Löwen.